An electric blue ice lolly on a red background

Produktivität

Zu warm oder zu kalt? Die Temperatur im Büro ist wichtiger, als Ihnen bewusst ist.

Lesedauer:  4 Minuten

Denken Sie vor dem Griff nach dem Thermostat daran, dass die optimale Bürotemperatur je nach Tätigkeit schwankt, erklärt Matt Burgess.

 

Es ist ein heißes Thema, wenn wir uns das Wortspiel erlauben dürfen. Bei Unstimmigkeiten im Büro ist die Temperatur – neben Beleuchtung, Akustik und Luftqualität – ein heikles Thema. „Die Temperatur spielt für die Zufriedenheit der Mitarbeiter eine große Rolle“, erklärt die Expertin für Planung und Nachhaltigkeit Megan Nollman.

Das kann zum Teil darauf zurückgeführt werden, dass sich die Temperatur im Büro möglicherweise viel ungleichmäßiger verteilt, als es bei anderen Umgebungsfaktoren der Fall ist. Wenn ein Fenster im sonnigen Teil eines Großraumbüros geöffnet wird, ist das vielleicht perfekt für die Mitarbeiter, die direkt am Fenster sitzen. Mitarbeiter an der anderen Seite des Raums werden dadurch aber möglicherweise nur abgelenkt.

Außerdem wird unsere Wahrnehmung einer „angenehmen“ Temperatur von vielen unterschiedlichen Faktoren beeinflusst. Dazu gehören unser Alter, unsere Gesundheit und sogar unser Stresslevel: Es ist also unwahrscheinlich, dass Ihre Kollegen und Sie die gleiche Temperatur angenehm finden.

Warum ist das so wichtig? Eine Studie(1) hat ergeben, dass eine zu hohe Temperatur zu Kopfschmerzen, einer verminderten Konzentrationsfähigkeit und – unter extremen Bedingungen – zu Übelkeit und Erbrechen führen kann. Niedrigere Temperaturen hingegen können den Blutdruck erhöhen und Krankheiten begünstigen.

Und das ist noch nicht alles. Die Bürotemperatur kann sich auf viel mehr auswirken als darauf, wie angenehm oder gut wir uns fühlen: Sie ist auch direkt mit unserer Produktivität verbunden. Eine Studie des Berkeley National Laboratory(2) hat gezeigt, dass die Leistungsfähigkeit bei Tätigkeiten gesteigert werden kann, wenn die Temperatur zwischen 21 und 22 °C liegt. Sie sinkt hingegen bei Temperaturen darüber oder darunter. Nollman fügt hinzu, dass diese Studien gezeigt haben, dass die Produktivität in Büros mit Temperaturen über 25,4 °C um 16 % sinkt.

Hitze in Städten

Dieses Problem wird weiter bestehen – besonders, wenn wir die potenziellen Auswirkungen der globalen Erderwärmung in Zukunft berücksichtigen. Eine Studie(3) deutet darauf hin, dass in Südostasien, in den Anden, in Südamerika und in der Karibik die Produktivität bis zu den 2080er-Jahren aufgrund der steigenden Temperaturen um bis zu 27 % sinken könnte.

Städte wird es besonders schwer treffen. „Bürogebäude sind besonders anfällig für Überhitzung durch die deutliche Wärmezunahme im Inneren“, erklärt Hélia Costa, eine wissenschaftliche Mitarbeiterin der Toulouse School of Economics. Große Mengen an Beton und Asphalt, zahlreiche Klimaanlagen und fehlende schattenspendende Bepflanzungen in städtischen Umgebungen: All das trägt dazu bei, dass Büros in Städten heißer werden als in ländlicheren Gebieten. Dieses Phänomen ist als die städtische Wärmeinsel bekannt: Städte sind besonders nachts wärmer als abgelegenere Regionen(4).

Zusammengebundene rote Peperoni auf einem blauen Hintergrund

Studien haben gezeigt, dass die Produktivität in Büros mit Temperaturen über 25,4 °C um 16 % abnimmt.

 

Die Kontrolle übernehmen

Was können Unternehmen tun, damit sich ihre Mitarbeiter wohl fühlen und zufrieden sind? Nollman findet, dass Büromanager den Mitarbeitern die Kontrolle über das Thermostat ermöglichen sollten. „Die Möglichkeit, die Temperatur am eigenen Arbeitsplatz auch nur um 3 °C nach oben oder unten zu ändern, wirkt sich auf die Produktivität und die Mitarbeiterzufriedenheit aus“, erklärt sie.

Es erscheint vielleicht etwas paradox, aber indem Sie Mitarbeitern die Kontrolle über die Temperatur geben, geben Sie ihnen auch ein Gefühl der Unabhängigkeit. Letztendlich möchte niemand, dass die Temperatur in seinem Büro von einem gesichtslosen „Unbekannten“ von einer anderen Etage des Gebäudes aus gesteuert wird.

Nollman warnt jedoch vor zu viel Freiraum. „Ich empfehle, Unter- und Obergrenzen festzulegen“, erklärt sie. Sie meint damit, dass die Temperatur nicht über 25 °C steigen oder unter 20 °C fallen sollte.

Louise Suckley, Dozentin für Strategie und Unternehmen an der Sheffield Hallam University, schlägt Arbeitgebern vor, ihren Mitarbeitern etwas Selbstbestimmung zu ermöglichen, indem sie entsprechend ihrer Wärmepräferenzen in unterschiedlichen Bereichen des Arbeitsbereichs arbeiten können. „Eine gute Idee wäre es, verschiedene ‚Temperaturzonen‘ im Arbeitsbereich anzubieten – und eine Unternehmenskultur, die eine solche Flexibilität unterstützt“, erklärt sie. In diesen Bereichen können auch unterschiedliche Möbel eingesetzt werden, die dem Temperaturprofil entsprechen.

Die Balance finden

Hélia Costa erinnert Mitarbeiter daran, dass sie viel tun können, um ihr eigenes Wärmewohlbefinden zu verbessern. Dazu gehört beispielsweise bei steigenden Temperaturen mehr Wasser zu trinken, um nicht zu dehydrieren, nach Bedarf kühlere Kleidung zu tragen und im Laufe des Tages Pausen zu machen. Sie fügt hinzu, dass Mitarbeiter mehr Informationen zu den Vorteilen ihrer eigenen Aktionen erhalten müssen, damit diese Maßnahmen effektiv sind.

Ein vorheriger Vorschlag durch Costas Forschung war, die Arbeitszeiten in Londoner Büros so zu ändern, dass Mitarbeiter von 07:00 Uhr bis 11:00 Uhr arbeiten, eine lange Pause in der Tagesmitte machen und dann von 17:00 Uhr bis 20:00 Uhr arbeiten.

Wir müssen dabei auch daran denken, dass für bestimmte Tätigkeiten möglicherweise unterschiedliche Temperaturen besser geeignet sind. „Zum Lösen von Problemen und für kreative Aufgaben eignen sich etwas wärmere Temperaturen besser“, erklärt Megan Nollman. In verschiedenen Tests(5) konnten Forscher feststellen, dass Leute bei steigenden Temperaturen kreativer waren.

Hingegen „können etwas kühlere Temperaturen einen positiven Einfluss auf die Leistung bei sich wiederholenden und zielgerichteten Aufgaben haben“, fügt Nollman hinzu. Studien(6) haben gezeigt, dass der Körper etwas mehr in Alarmstellung bleibt, wenn die Temperaturen niedriger sind. Der Geschäftsführer von Facebook, Mark Zuckerberg, gab an(7), die Temperaturen in Konferenzräumen auf 15 °C zu halten, damit die Teilnehmer konzentrierter sind.

Coole Idee? Oder fröstelt es den Mitarbeitern dabei? Vielleicht ist es an der Zeit, die Temperatur zu prüfen …

 


Matt Burgess ist ein preisgekrönter britischer Journalist und für das Wired-Magazin im Vereinigten Königreich tätig.

Quellen:

(1) http://www.oulu.fi/sites/default/files/content/Ikaheimo_TM_Temperature_and_human_health_28102014.pdf

(2) https://indoor.lbl.gov/sites/all/files/lbnl-60946.pdf

(3) https://www.tandfonline.com/doi/abs/10.1080/19338240903352776

(4) http://www.lse.ac.uk/GranthamInstitute/news/heat-waves-productivity-and-the-urban-economy-what-are-the-costs/

(5) https://www.researchgate.net/publication/285320928_Creative_thinking_as_the_dependent_
variable_in_six_environmental_experiments_A_review

(6) https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0360132309000985

(7) https://www.bbc.co.uk/news/av/business-21767297/what-s-the-best-office-temperature