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Vom “Mad Man” zum Consultant: David Wethey darüber, was er in 50 Jahren in Marketing und Werbung gelernt hat

Lesedauer:  3 Minuten

David Wetheys Twitter-Konto nennt ihn mit einem Augenzwinkern einen ‘Überlebenden’ aus der “Mad-Men”-Ära der Werbung. Doch David ist viel mehr als das. Mit seinen über 50 Jahren Berufserfahrung, einschließlich der Führung einer eigenen Werbeagentur, hat er den extremen Wandel persönlich miterlebt. Er war sogar selbst mit daran beteiligt, durch seinen innovativen Ansatz bei Agency Assessments, einem spontan entstandenen Unternehmen, das 28 Jahre Bestand hatte.

David erzählt in zwei Büchern von der Branche. In DECIDE: Better Ways of Making Decisions (2013) und MOTE: The Super Meeting (2015). Heute hält er Vorträge und arbeitet weiterhin bei Agency Assessments. Wir freuen uns, dass er Zeit gefunden hat, mit Regus Re:think seine Erfahrungen zu teilen.

Was hat Sie dazu gebracht, mit Agency Assessments etwas Neues zu starten?

Ich hatte kein bestimmtes Unternehmenskonzept. Es gab keinen bestimmten Plan. Es war ein Kunde, der mich anrief, der sein Marketing komplett umgestalten musste, da es nicht zwecktauglich war. Zufällig rief ein anderer Freund an und sagte, dass sie eine PR-Agentur kaufen wollten. Als ich ihn fragte, warum er sie denn nicht nur in Dienst nehmen wolle, wie jeder andere auch, sagte er: “Weil ich etwas erfunden habe.” Das war Interbrand und sie hatten gerade die Markenbewertung erfunden. So arbeitete ich plötzlich für zwei Kunden – nicht direkt als Agentur, sondern eher als Berater beziehungsweise Vermittler.

Was ich machte, war dato eine echte Neuheit: Ich baute einen Beratungsdienst für Kunden auf. Alle anderen repräsentierten die Agenturen nur. Beratung ergab für mich nur auf eine Weise Sinn: die direkte Beratung des Kunden. So konnte ich ganz objektiv eine Agentur empfehlen und mich völlig auf die Kundenseite stellen.

Gibt es Dinge, für die Sie Lehrgeld zahlen mussten?

Ich habe mich schon immer besonders schnell für neue Dinge begeistert. Neue Kunden, neue Projekte – und natürlich ist Agency Assessments ein Projektgeschäft, weshalb ich immer nach neuen Projekten Ausschau halte. Ich war nicht besonders gut darin, die Beziehungen zum letzten Projekt aufrechtzuerhalten, sondern war immer schon auf das nächste Projekt scharf. Ironischerweise lässt man sich so neue Kontakte entgehen, das ist mir selbst passiert.

Es ist auch nicht damit getan, die Kunden “nur” zufriedenzustellen. Sie müssen etwas lernen, wodurch Sie zu einer Art Führungsperson werden. Ich habe das Unternehmen über die Jahre durch Artikel, Plattformen, Workshops und Seminare vorangebracht. Und durch das Verstehen und die Entwicklung von größeren Zusammenhängen.

Wie wichtig ist es, gelegentlich einen Schritt zurückzugehen und die Dinge neu zu bewerten?

Extrem wichtig. Ich war mir dessen nicht bewusst, bis ich mein erstes Buch schrieb. Wenn du in den verqualmten Räumen sitzt, die mittlerweile nicht mehr verqualmt sind und renoviert wurden, doch in denen auch heute noch die Köpfe qualmen, stellt die Welt der Werbung eine große Faszination dar. Die Entscheidung darüber, welche Agentur gebucht wird, und die gesamte Wissenschaft und Psychologie, wie Menschen und Unternehmen Entscheidungen treffen. Doch ich glaube, mir ist bei diesen Prozessen bewusst geworden, dass es in Sachen Entscheidungsfindung enorm viel zu lernen gibt. Und der wesentliche Punkt bei „DECIDE“ war, dass ich einen Schritt zurückgegangen bin und 25 große Entscheider interviewt habe, wodurch ich wirklich viel gelernt habe.

Uns wird beigebracht, konstant und logisch zu sein. Aber auch das Bauchgefühl spielt bei allem, was wir tun, eine unglaublich wichtige Rolle.

Gab es auch einen Moment in Ihren Meetings, in dem Sie dachten: “Hier läuft jetzt etwas schief”?

Solche Momente gab es viele, doch durch Agency Assessments war es umgekehrt. Bei jedem Meeting, das ich in den 28 Jahren organisiert habe, wusste ich, welches Ziel es gab, wer dabei sein sollte und wie lange es dauern würde. Ich hatte eine klare Erwartung von dem Ausgang des Meetings. Wenn der Kunde anwesend war, habe ich ihm das auch mitgeteilt.

Das war ein deutlicher Kontrast zu den Meetings, bei denen es keinerlei Vorbereitung gab, die schlecht gemanagt wurden und ohne ein wirkliches Ergebnis endeten. Und anschließend machten sich die Mitarbeiter auf zum nächsten Meeting. Ich glaube, da ich wusste, wie ein gutes Meeting abläuft, konnte ich erkennen, welche Meetings schlecht waren. Daher war ich der Meinung, man müsse ein konstruktives Buch über Meetings schreiben.

Was ist die größte Herausforderung für Unternehmen heutzutage?

Ich glaube, das größte Problem, mit dem wir umgehen müssen, ist die Konfusion zwischen kurz-, mittel- und langfristig. Und die wahre Herausforderung liegt darin, die Möglichkeiten zu maximieren, das langfristige Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Aufgrund der monatlichen oder zweimonatlichen Rechnungslegungen haben viele Führungskräfte die langfristigen Ziele nicht mehr im Blick. Meiner Meinung nach benötigen Führungskräfte Mitarbeiter, die sicherstellen, dass die kurzfristigen Dinge erledigt werden. Sobald die Führung sich nicht mehr auf die mittel- und langfristigen Ziele konzentriert, fallen Organisationen auseinander.

Welche Tipps haben Sie, um vorne dabeizubleiben?

Hören Sie nicht auf, sich weiterzubilden. Das Traurige an erfahrenen Leuten ist, dass die Erfahrung häufig nur die Zusammenrechnung dessen ist, was stets auf dieselbe Art verrichtet wird, und es nicht darum geht, als engagierter Lernender mit großem Wissensdurst angesehen zu werden. Viele junge Leute denken wahrscheinlich, dass Sie mit ihren 70 Jahren am Ende angelangt sind, ein Relikt vergangener Zeiten. Doch ich glaube, dass die meisten Menschen, die es erfolgreich nach ganz oben geschafft haben, im besonderen Maße offen für neue Ideen sind.

David arbeitet in unserem Büro in 100 Pall Mall, London. Seine Bücher „DECIDE“ und „MOTE“ können Sie beide online erwerben. Weitere Informationen zur Arbeit von Agency Assessments finden Sie auf deren offiziellen Website.